Watschenbaum und Nachkriegsvanillepudding

Wild, archaisch, dunkel – Die fiktive Welt von Helena Adler stellt man sich am besten vor wie ein animiertes Bruegel-Panorama. Dieser Ratschlag steht auch zu Beginn des Romans „Die Infantin trägt den Scheitel links“, gleich nach dem sarkastischen „Home Sweet Home“. So sind wir gleich mittendrin bei der Ich-Erzählerin, ein kleines Mädchen, das trotzig, stur…

Das Leben als Stillleben

»Immerjahn« von Barbara Zeman Barbara Zeman wagt sich in ihrem Debüt »Immerjahn« rund um einen gescheiterten Künstler und erfolgreichen Erben, an eine skurrile Familienaufstellung in Petersburger Hängung. Ein Roman wie eine aus der Zeit gefallene verstaubte Wunderkammer. Immerjahn ist nicht für jedermann. »Er hatte in seinem Leben nicht so viel erlebt, war doch nichts als…

Die verlorene Ehre des Ludwig Blum

Daniel Zipfel verhandelt in seinem Debütroman, »Eine Handvoll Rosinen«, Asylpolitik in Österreich. Die fiktive Wirklichkeit darin wird dieser Tage von der Realität eingeholt. Die titelgebenden Rosinen sind symbolisches Macht- und Zahlungsmittel der Schlepper beim Drehen krummer Geschäfte. Eine Handvoll davon hätte der afghanische Schlepper Nejat Salarzai wohl für seinen Kontakt zu einem westeuropäischen Fremdenpolizisten, verkörpert…

Durchhalten auf der Gefängnisinsel

Mary stand vor der Examensarbeit, Monate zuvor hatte sie den fanatisch-chaotischen Dimos kennengelernt. In ihre Geschichte knüpft sie Rückblicke an die erste Verliebtheit und die Schwere des Elternhauses. Beides Ereignisse, die erst aufgearbeitet gehören, während in ihr die Zukunft heranwächst und sie mitten in die Athener Studentenunruhen vom November 1973 hineinstolpert. Das markiert den Anfang…

Kirtagstänze, Kirchengänge und Körperflüssigkeiten

Wenn der Toni mit der Moni, dann ist das nichts für empfindliche Mägen, aber postmodern like in 2006. Die Metaebene versteckt sich hinter den Bergen, bei den sieben Zwergen. Ein Sittenbild, boshaft verzerrt. Es war einmal ein Stück österreichischer Gegenwartsliteratur, das mit den Erzählebenen spielte. Vor dem Hintergrund einer Anti-Heimatroman-Kulisse, mit Frischverliebten, Dramatik und Spannung.…

Gegenrevolution zum Terror der Teiglinge

Eine Nasenpolypenoperation ist Schuld an dieser Hommage an gutes Brot. Der Journalist Walter Mayer kommt wieder zu seinem Geruchssinn. Damit folgt er frei nach Marcel Proust schreibend dem Duft seiner Kindheit. Schließlich war sein Großvater wandernder Pachtbäcker in Tirol und im Salzburger Land. Mayer zieht seine Kreise weiter. Für seine Recherche wandert er zwar im…

„No Sports“ hat Churchill nie gesagt

Das Apfelbäumchen von Luther oder Dummheit und Universum von Einstein: Wir mögen diese pointierten Sätze, geflügelten Worte und Sprichwörter. Am liebsten als Zitierung von Leuten, die jeder kennt (wenn nicht durch deren Werk, dann zumindest durch jene vermeintlichen Zitate). Nicht selten werden diese Aussagen denjenigen nur zugeschrieben. Aristoteles, Churchill, Ghandi und Goethe tauchen besonders häufig…

Universitätsmamsellen

Die königliche Majestät sei gewillt hier eine Universität zu errichten, hieß es am 23. April 1733. Ausführlich und mit historischen Fakten gespickt, rollt Eckart Kleßmann die Anfänge der Universitätsstadt Göttingen auf. Die erste Frau wird allerdings erst im fünften Kapitel erwähnt: Eine Witwe in Klammern – passiver geht’s nicht. Nur langsam erkämpfen sich Frauen ihren…

Mülltrennen ist keine Weltverbesserung

Ökologie: Moralkeule oder Mutmacher? Zwei Bücher über umweltbewusstes und müllreduziertes Leben Wir sind die konsumgesteuerte Wegwerfgesellschaft. Wir sind bequem geworden, bringen Schuhe nicht mehr zum Schuster, kaufen alle paar Monate das neueste Handymodell, lassen uns Pizza liefern und hetzen mit Einwegbechern durch die Stadt. In etwa so lautet die Anklage, und sie kommt natürlich nicht…