Es ist ein natürlicher, wilder Sprudel, der entsteht, wenn man Most in der (drucksicheren) Flasche vergärt: Der sogenannte Pet Nat (,Petillant‘ für prickelnd und ,naturell‘ für natürlich) leitet eine Schaumwein-Renaissance ein. Angeführt wird sie vor allem von bio- oder biodynamischen Weinbauern. Sie haben vor höchstens vier Jahren begonnen zu experimentieren. Ein ausschnitthafter Überblick über die Vielfalt des heimischen Blubberns.
Eigentlich gab’s den Pétillant Naturell schon im 16. Jahrhundert. Und zwar im französischen Loire-Tal. Damals haben Mönche im Herbst ihren Traubenmost abgefüllt und gewartet bis er in der Frühjahrswärme zu Gären begann. Diese schaumweingewordene Unkontrolliertheit wird jetzt wieder entdeckt. Anders als der Sekt nach der Champagner-Methode macht der Pet Nat, nicht eine zweite Gärung, sondern nur die erste Gärung in der Flasche durch. Man füllt schließlich nicht Wein und Zucker für eine zweite Gärung, sondern schon den leicht angegorenen Most oder Sturm. Dann wartet man und hofft auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Zucker und Druck. Der Zeitpunkt ist entscheidend: Bringt man den gärenden Most zu spät in die Flasche, sprudelt er kaum. Füllt man ihn hingegen zu früh ab, wird der Kohlensäuredruck in der Flasche oft zu hoch. Doch keine Sorge: Mittlerweile haben die meisten Winzer gelernt, mit dem Druck umzugehen. Viele öffnen die Flasche bevor sie verkaufsfertig gemacht wird und degorgieren den Wein. So entlädt sich mit dem Großteil der Hefe ein möglicher Überdruck. Denn eine Fontaine sorgt zwar für Action auf der Party, aber mit einer halbvollen Flasche wollen wir schließlich nicht dastehen.
Schaumweingewordene Unkontrolliertheit
Fast jede einzelne Flasche eine Überraschung. Sie ist ja schließlich sich selbst überlassen. Der Winzer hat keine Kontrolle, darüber, was die Gärung in der Flasche auslöst und wo der Wein hinwill. Üblicherweise füllt man ja im stabilen Zustand und dann Schraubverschluss oder Kork rauf und fertig. So heißt Pet Nat Vielfalt – nicht nur durch Sorte und Ausbauart, sondern auch innerhalb eines Jahrgangs. Fast könnte man sagen, hat jede einzelne Flasche ihren eigenen Kopf.
Na, und wann trinkt man so was jetzt? Nun, zum Beispiel ist ein Pet Nat eine gute Möglichkeit, an einem langen Abend mit vielen Gängen die Gäste vor dem Hauptgang aufzuwecken. Als untypischer Aperitif steht er auch zur Seite. Meistens ist bei den Pet-Nat-Naturburschen die Kohlensäure feiner als bei normalem Schaumwein.
Das ist alles keine Neuigkeit für Italiener, die mit der sogenannten Méthode Ancestrale seither Vino Spumante, Prosecco oder Lambrusco produzieren. Mit dem Fokus auf Italien hat Enrico Bachechi vor zwei Jahren in Wien seinen Handel für Vinifero gegründet. Gemeinsam mit dem Chef des Glacisbeisl, Paul Bodner, veranstaltete er die Boum-Weinmesse – B.O.U.M. – das steht für Bubbles only using Most, also alles, was in der Flasche zu sprudelt beginnt. Sie folgen damit nicht nur dem Pet Nat-Trend, sondern auch der Veranstaltungsidee vom Geyerhof, wo sich tagsdarauf 20 Winzer mit rund 30 Pet Nats versammelt haben. In Kooperation mit Gault&Millau wurde da eine Landpartie abgehalten, die sich sehen lassen konnte. Man kann getrost behaupten: Damit wurde eine Renaissance des natürlichen Schaumweins eingeläutet, vor allem unter den Bio-Winzern ist der Pet Nat der Hipster des kohlensäurehaltigen, leichten Weins.
Verkosten konnte man auch Pet Nats aus Neuseeland, Deutschland und der Slowakei. Ein paar ausgesuchte heimische Vertreter stellen wir hier vor:
Fuchs & Hase Volume 2 „Die Pioniere“ | 10,5% | 2016
zum Beispiel über wagners-weinshop.com oder ab Hof 17,90€
Alwin Jurtschitsch sah in Australien wie Pet Nat hergestellt wird. Zeitgleich ist Martin Arndorfer in Kalifornien immer öfter Pet Nat untergekommen. Beide kamen inspiriert nach Hause ins Kamptal – das ja immerhin zum Waldviertel gehört, wo sich „Fuchs und Hase“ „Gute Nacht!“ sagen. Mit ihrer gemeinsamen Freestyle-Linie seit 2013 abseits der eigenen Betriebe sagen sie eher Guten Tag. Sie tüfteln und probieren – vor allem mit Cuvées – und legen die Latte hoch mit einer ganzen Pet-Nat-Linie. Volume 2 ist ein Cuvée aus Grünem Veltliner und Muskateller. Gemeinsam wurden sie auf der Maische vergoren. Hat beim ersten Reinriechen eine duftige, blumige Muskatnote, gibt sich aber dann trocken und stoffig mit Grünem Apfel und Veltliner-Pfefferl.
Matthias Hager „Der zartrosa Sturmfrizz“ | 11% | 2016
im Online Shop um 13€
Matthias Hager macht auch schon das dritte Jahr Pet Nat. Gleich sein erster war ein Blanc de Noir, also ein Weißer von roten Trauben, konkret geht es um Zweigelt, die häufigsten Rotweinsorte in Österreich und auch bei Matthias Hager. Nur ein hauchzarter, rosenquarziger Schimmer erinnert daran, denn nach der Ernte wurden die Trauben sofort gepresst. Während der spontanen Vergärung wurde der „Sturm“ abgefüllt. Danach sind noch immer 18 Gramm Restzucker übrig, aber das stört nicht, weil sich der Zweigelt typisch fruchtig und vollmundig gibt. Wir denken an Marzipan und die elegante, feine Perlage tut ihr Übriges. Bei ihm kommt der Sturm am meisten raus und doch erinnert er an die klassische französische Champagner-Tradition.
Hareter „Erstversuch mit Welschriesling“ | 10,5% | 2016
im Onlineshop um 13€
Bei der Sektkellerei Szigeti beäugte man Thomas Hareters Erstversuch ein bisschen skeptisch, als er damit antanzte. Der Wilde Sprudel wird seinem Namen gerecht und geht keine Kompromisse ein. Er ist ganz schön trüb. Der Most wurde nicht geschwefelt. Als Oxidationsschutz hält deshalb die natürliche Hefe her. – Ein Prinzip, das mehr oder weniger streng, aber eigentlich für die meisten Pet Nats zu gelten scheint: keine Reinzuchthefe, (fast) kein Schwefel. Der Burgenländer besteht zu 100 Prozent aus Welschriesling – einer Sorte, die für feine Säure sorgt und fünf Gramm Restzucker gut ergänzt. Geschmacklich ist der Wilde Sprudel auf der süßsauren, traubigen Seite. Das erinnert an Kombuchatee und Haselnuss, an weißen Pfeffer, Ananas und saftige Birnen. Breiter Abgang, cremige Hefeanklänge, aber dennoch frisch. Spannend und sehr gelungen!
Winzerhof Landauer Gisperg „Da ist Druck drauf“ | 12% | 2016
ab Hof 13,5€
Genau genommen ist Pet Nat ein Perlwein. So wird halbschäumender Wein unter drei Bar Druck bezeichnet. Nicht so bei Stefan Landauer-Gisperg, dem Junior des gleichnamigen Weinguts in der Thermenregion. Er pfeifft auf die Schaumweinsteuer, die bei mehr Druck fällig wird. Denn ein Pet Nat braucht „Cojones“, meint er. Deswegen schäumt seine Variante am Allermeisten. Am Glasrand bildet sich ein Schaumkrönchen. Das Traubenmaterial dürfte sehr reif gewesen sein, dieser Pet Nat scheint näher am Wein als die stürmischen, mostigen Vertreter. Aus dem gemischten Satz sticht der Riesling mineralisch hervor. Holunderblüten, Honigmelone und grüner Tee. Salzig, aber bananensüß zugleich.
Meinklang Foam Rot – Der Rote | 13% |2015
im Online-Shop um 17€
Pet Nat gibt’s noch selten in Rot. Extrem dicht in Farbe, Geschmack und Geruch, der mit Brombeeren, kühler Minze und herber Schafgabe in die Nase steigt, ist jener von Werner Michlits Bauernhof am Neusiedler See. Die Zutaten: 80 Prozent der Schweizer Sorte Gamaret plus 20 Prozent Blaufränkisch. Sie ergeben bei sechs Gramm Säure und sechs Gramm Restzucker einen Roten von kühler Würze und voller Fruchtigkeit für fortgeschrittene Pet Nat Fans. Gutes Zucker–Säure–Sprudel-Verhältnis, gut eingebunden in ganz neuartige Geschmacksrichtung: würzig und an Kräutertee erinnernd. Sein Bruder „Foam Weiß“ ist übrigens ein cremiger, hefegewaltiger Gaumenschmeichler aus Weißburgunder-Trauben.
Nicht nur gehobene In-Lokale setzen Pet Nats auf ihre Liste, auch bei den Naturweinhändlern von Weinskandal, Agora Vino, Vinonudo und natürlich bei den Winzern selbst gibt’s das fröhliche Blubbern für den Hausgebrauch.