Uber, AirBnB, Food Coops. Die Spielregeln in der traditionellen Wirtschaft passen nicht wirklich zum Teilen als Konzept. Das sollte man ändern, wenn man Sharing Economy ernst nimmt.
Eine 80 cm breite Treppe, die an eine Wand grenzt und an der anderen mit einem Geländer gesichert ist, braucht wandseitig auch ein solches. Ein Aufzug muss fernüberwacht werden, obwohl die Rezeption rund um die Uhr besetzt ist. Vorschriften wie diese gelten für ein Hotel, nicht aber für online, beispielsweise auf Airbnb vermittelte Privatunterkünfte. “Dazu kommt, dass sich die Sharing Economy-Konzerne Lohnnebenkosten sparen sowie Betriebsanlagengenehmigungen und sämtliche Kontrollen vom Arbeitsinspektorat bis hin zur Finanz”, schildert Michaela Reiterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Der Sharing Economy möchte sie das zwar nicht an den Hals wünschen, aber ernsthafte Überprüfung, welche Kontrollen und Vorschriften notwendig seien, sind längst fällig.
Laut WKO darf man ja sein Auto gar nicht entgeltlich herleihen. Bis zu einer halbwegs akzeptablen Löseung hat es Jahre gedauert. Außerdem wollte uns anfangs keine Versicherung. Schwierig ist es auch, Stellplätze im öffentlichen Raum (mit Ladeinfrastruktur für E-Autos) zu finden. (Christian Steger-Vonmetz von der Carsharing-Genossenschaft „Caruso“, einem sogenannten Social Business.
Die Entfremdung zwischen Wirtschaft und Politik war noch nie so groß wie heute, jammern Unternehmen, ganz gleich welche Branche man befragt. Denn der Berg der Steuerlast, Büroarbeit und Verbote wächst so gut wie überall. Er trifft die althergebrachten Betriebe, vor allem die kleineren unter ihnen brechen unter der Last zusammen. Wenn nur noch große Handelsketten den wachsenden politischen Auflagen standhalten, wächst trotzdem auf der Käuferseite das Bedürfnis nach Alternativen. In Graubereichen und Schlupflöchern entstehen neue Wirtschaftsformen: Auf der einen Seite non-profit und im Kleinen, auf der anderen Seite durchaus gewinnorientiert und ganz schön ambitioniert. Immerhin plant „Airbnb“ seit Jahren den Börsengang.
Zivilkapitalismus
Wenn der verantwortungsvolle Bürger sich die Ökonomie aneignet, als Ganzes, als Gestaltungsmittel, als Instrument zur Weltverbesserung, nennt der Journalist und Autor Wolf Lotter das in seinem gleichnamigen Buch „Zivilkapitalismus“. Getrieben von einer Marktlücke, aber nicht auf Profit ausgerichtet, sind beispielsweise Food Coops, also Lebensmittelkooperativen. Eine Handvoll Leute gründet einen Verein, mietet einen Keller oder einen Garagenraum und bestellt direkt bei regionalen Bauern, die sie am Hof besuchen und mit denen sie regelmäßig in Kontakt sind. Eine solche Food Coop ist im oberösterreichischen Vorchdorf entstanden. „Der kleine Nahversorger musste vor ein paar Jahren zusperren“, erklärt der Vereinsobmann, Stefan Hörtenhuber. Er konnte der Konkurrenz der sechs großen Handelsketten im Umkreis nicht mehr standhalten. „Bei den Bauern in der Umgebung gibt es oft die Möglichkeit ab Hof einzukaufen“, erzählt Hörtenhuber „aber das ist natürlich entsprechend mühsam.“ Deshalb bestellt man jetzt gemeinsam. Das finden nicht alle gut. Der Wirtschaftskammer, stellvertretend für die Handelsunternehmen, ist das ein Dorn im Auge. Sie verlangt von den Lebensmittelkooperativen eine Gewerbeberechtigung.
Ähnlich ergeht es der Initiative „foodsharing“. Sie möchte Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden, sammeln und verteilen. Mehr als vier Millionen Kilogramm Essbares konnte man so schon vor der Mülltonne retten. 23 Prozent davon allein in Berlin. Dort möchte nun das Lebensmittelamt die sogenannten Fair-Teiler als Lebensmittelbetrieb einstufen. Die Behörde fordert, dass die Essenskörbe ständig von einer verantwortlichen Person beaufsichtigt und die Lebensmittel überprüft und gekennzeichnet werden. Die Rückverfolgbarkeit soll gewährleistet sein. “Im privaten ehrenamtlichen Bereich ist das nicht umsetzbar”, meint das Foodsharing-Team. In einer aktuellen Petition fordert die Initiative deshalb “eine realistische Einschätzung der Sachlage durch die Behörden und einen gut ausgearbeiteten Leitfaden für Fair-Teiler vom Berliner Senat“.
Diese Beispiele zeigen: Neue Konzepte schweben teilweise im gesetzlosen Raum. Sie können nicht an Regelungen für herkömmliche Unternehmensformen angepasst werden. Meistens wünschen sich alle Beteiligten klare zeitgemäße Rahmenbedingungen.
Andererseits gilt es eine Trennlinie zu ziehen: Zwischen einer Food Coop und der massiv wachsenden Sharing Economy im großen Stil liegen Welten. Den Begriff „Sharing Economy“ hat bereits in den 1980er Jahren der Ökonom Martin Weitzman geprägt. Seine These: Der Wohlstand für alle erhöht sich, je mehr alle Marktteilnehmer miteinander teilen. Bevor jetzt alle den „collaborative lifestyle“ ausrufen, weil manche Menschen ihre Wohnung übers Wochenende vermieten, den Nachbarn den Hammer leihen, für andere den Hund Gassi führen oder Fremde zum Essen einladen, muss man natürlich festhalten: Die Idee, Dinge zu teilen, ist nicht neu. Doch mit dem Internet kam die rasante Verbreitung und mit der Zeit auch der Profitgedanke. Man sah, dass man das starre Regelwerk umgehen und trotzdem Unternehmer sein kann.
Die Sharing Economy ist ein relativ junger Wirtschaftszweig, der teilweise in einem Grau-Bereich agiert, weil bisher noch keine ausreichenden, modernen und der Situation entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden. Es muss hier auf jeden Fall angepasst werden. Die derzeitige Diskussion über touristische Vermietung von privaten Wohnung betrifft unser Unternehmen nur am Rande, da wir nicht in diesem Segment tätig sind. (Herbert Maier von Kurzzeitwohnen, das sich auf die Vermittlung von möbiliertem Wohnraum für beruflich bedingte Ortswechsel spezialisiert.)
Freilich ist für Airbnb oder Uber, dem Online-Vermittlungsdienst für Fahrdienstleistungen, die Share Economy schlicht ein Geschäftsmodell. Diesen Unternehmen geht es nicht darum, die Welt besser zu machen, sondern sie bearbeiten eine unbesetzte Marktnische. Hier wird nicht bottom-up eine Marktlücke von der engagierten Zivilgesellschaft gedeckt, sondern top-down die Gemeinschaft genutzt. Ein Share Economy Unternehmen gründet auf der Idee, die Gemeinschaft und das Teilen zu nutzen. Es erwirtschaftet Profit durch die Vermittlung, die einzelnen Privatpersonen machen Geschäfte untereinander. Am Papier ist keiner von ihnen so wirklich als klassischer Unternehmer tätig. Und so ergeben sich zwischen einem Hotel und Share-Economy-Alternativen, wie Air Bnb, Interhome, Couchsurfing oder 9flats, Unterschiede auf vielen gesetzlichen Ebenen.
Was die Vorchdorfer Food Coop mit dem Airbnb-Vermieter eint, ist die unklare Rechtslage. Da geht es um Verbraucherschutz, Hygiene- und Brandschutzvorschriften und Versicherungen. Und außerdem natürlich um die gewerbliche Konkurrenz. Dabei fühlt sich die Hotelbranche gar nicht so sehr von der Sharing Economy bedroht. “Viel gefährlicher ist der starke Anstieg der finanziellen und bürokratischen Belastungen, die Kosten im Onlinevertrieb und Krisen in Märkten am oberen Ende der Preisskala wie der Ukraine und Russland, arabischen Staaten und China. Auf zusätzlichen Druck vom unteren Ende der Preisskala, aus dem Non-Service-Bereich ohne Standards, kann die Branche aber natürlich verzichten”, sagt Michaela Reiterer. Doch der gesamte Markt, vor allem die Regularien müssten endlich dem Status quo und den absehbaren Entwicklung angepasst werden, meint sie. “Wir haben eine Gewerbeordnung, die Hufschmiede detaillierter regelt als Airbnb, Zalando, Amazon, Uber & Co zusammen.” Wie all diese Unternehmen werken, wirkt sich stark auf unser Zusammenleben aus. Wie der Tourismus, trifft man fast in jedem Fall auf eine Querschnittsmaterie, die viele Rechtsbereiche betrifft: Arbeits- und Steuerrecht, Meldewesen, Gewerbeordnung, Wohn- und Immobilienrecht, Bildung- und Ausbildung. “Wer eine Gewerbeordnung aus dem Jahr 1859 immer nur bruchteilweise adaptiert – mal da ein Prozent, dann dort ein Promille – bekommt einen Fleckerlteppich, der den Anforderungen der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts natürlich niemals genügen kann”, so Reiterer.
Stabile Rahmenbedingungen braucht es nicht nur für die Vermittlungsdienste, sondern auch für die Geschäftsbeziehungen der Privatleute, die zueinander vermittelt werden. San Francisco, die Geburtsstadt dieser Internet-befeuerten Share Economy, hat schon verstanden, dass man das gesetzliche Regelwerk den neuen Entwicklungen anpassen muss. Das kurzzeitige Vermieten von Wohnraum ist maximal 90 Tage pro Jahr erlaubt. Damit lockert man das Verbot der Untermiete oder das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum und schafft Rechtssicherheit für Privatanbieter. In Berlin zieht man übrigens nach. Airbnb-Ferienwohnungen brauchen neuerdings eine offizielle Genehmigung der Stadt.
Die neuen Formen des alternativen Wirtschaftens besitzen Potenzial. Verbote können nicht die Lösung sein. Eher sollte man das Anliegen nach überschaubaren, menschlicheren und nachhaltigeren Wirtschaftsformen aufgreifen und als Chance nutzen. Das Gesetz muss nachziehen, entschlacken und an- und aufpassen, damit es nicht die Richtigen vertreibt und die Falschen einlädt.
(erschienen im Biorama, Ausgabe 43 im Sommer 2016)