Energiewandel, LED-Technik und die Wiener Börse

Der Energiesektor ist gespalten. Nicht alle wollen sich den neuen technologischen Herausforderungen und Entwicklungen stellen. Doch Potenzial gibt es auf jeden Fall. Ein burgenländisches Startup hat es kürzlich sogar gewagt, an die Börse zu gehen.

„Wir sind die kleinen Speedboote neben den großen Tankern in der Energiewirtschaft“, vergleicht Lukas Scherzenlehner sein Unternehmen ,Cleen Energy‘ mit den big player draußen auf dem Meer. Als Gründer eines klassischen Startups sieht er sich allerdings nicht mehr, schließlich ist ,Cleen Energie‘ Mitte April an der Wiener Börse eingestiegen, aber sie – und damit meint er durchaus auch andere Neugründungen im Energiebereich – seien wendig und schnell und könnten rasch reagieren im Windschatten der Großen. Das bringt Vorteile für beide Seiten und treibt vor allem den Energiewandel voran.
Denn die Umstellung auf erneuerbare Energien verändert die Struktur der Energiewirtschaft tiefgreifend. Mit der reinen Stromlieferung ist nix mehr zu holen, also richten sich viele als Dienstleister für dezentrale Energieversorgung ein. Und hier können junge Unternehmen, für die digitalisierte Prozesse selbstverständlich sind und in die Projektentwicklung einfließen, rascher einsteigen. Im Gegensatz zu Etablierten müssen sie sich nicht erst neu erfinden, sondern sind als Neueinsteiger von Beginn an auf einen ganz anderen Markt ausgerichtet. „Mit innovativen Angeboten können die jungen Unternehmen zum Treiber der Energiewende werden und selbst die Trends auf dem Markt setzen “, analysiert Andreas Kühl vom Blog ,Energynet‘.

Energische Börsengänge
Das prominenteste Beispiel für einen Börsengang im Energiesektor liefert der dänische Energiekonzern ,Dong‘. Innerhalb einer Generation möchten die Dänen den Anteil der Energieproduktion aus ,schmutzigen‘ und ,sauberen‘ Energiequellen umkehren. Früher galt der Konzern als reiner Öl- und Gasproduzent, im Juni 2016 ging ,Dong‘ als „Windparkbauer“ an die Börse. Der Richtungswechsel vom größten Börsengang Europas im Vorjahr, scheint sich zu lohnen: Im ersten Börsejahr fuhr das Unternehmen einen Gewinn von umgerechnet 1,7 Milliarden Euro ein.
Richtungsweisend ist auch das größte Energieunternehmen in Deutschland, RWE. Ebenfalls 2016 ging es mit dem Geschäftszweig für Erneuerbare Energien namens ,Innogy‘ an die Börse. Es war der größte Börsengang in Deutschland seit dem Jahr 2000. Ende April zog man heuer Bilanz: Die Ökostromtochter verspricht steigende Gewinne. Der Ergebnis werde im laufenden Jahr um mindestens sieben Prozent auf über 1,2 Milliarden Euro zulegen, verlautbarte der Konzernchef Peter Terium bei der ersten Hauptversammlung des Unternehmens in Essen. Während ,Innogy‘ das Zukunftsgeschäft mit Netzen, Vertrieb und Ökostrom bündelt, verbleiben bei RWE selbst die Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sowie der Großhandel mit Strom. „Wir bei Innogy sind einfach ein auf die Zukunft ausgerichtetes, modernes Energieunternehmen“, sagte Terium in einem Interview mit der Tageszeitung ,Die Welt‘ , „keine Öko-Ideologen“. Denn Energieträger, die CO2 emittieren, werden teurer werden. Darauf gilt es zu reagieren, auch in Österreich, wo Verbund, Siemens und Voestalpine sich zu diesem Zweck zum Projekt H2Future zusammengetan haben. Im Februar stellten sie die EU-geförderte weltweit größte Elektrolyseanalage für die Erzeugung von Wasserstoff vor.

Und wo tummeln sich Startups im Energiebereich? Nun, sie finden neue Modelle, indem sie klassisches Handwerk mit digitalem Vertrieb verbinden, entwickeln Batteriespeicher mit Mehrwert und bringen erneuerbare Energie in das Stromnetz ein. Unter den Top Ten der Initiative ,greenstart‘ vom Klima- und Energiefond finden zwei Ideen, die in diese Richtung gehen: E²T ist beispielsweise ein kleines Kraftwerk aus Photovoltaik und Speicher zur völligen Selbstinstallation im eigenen Haushalt. Ähnlich versorgt das steckerfertige Solarsystem von ,Base Energy‘ für Laptops, Fernseher oder Kühlschränke etc. an jedem Ort mit Zugang zu direktem Sonnenlicht. Im Präsentationsvideo liefert da eine Holztafel mit Solarzellen, circa einen Meter mal einen Meter groß, über den hellblauen Genorator namens ,Sol Cube‘ den Saft für die Musik aus den Lautsprecherboxen. Mittlerweile sind Solarsysteme oft schon um einiges günstiger als Dieselgeneratoren, zudem funktionieren sie leiser und riechen besser.
Da klingt es fast unglaublich, dass „mehr als 1,6 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zum Stromnetz haben“, wie die Gründer von ,Siquens‘ schreiben. Sie wollen diese Menschen mit dem Rest der Welt vernetzen und deswegen Strom mit mobilen Power-On-Demand-Lösungen in entlegene Gegenden bringen.

Vorfinanzierte LED-Beleuchtung
Das Vorzeigebeispiel ,Cleen Energy‘ setzt an ganz anderer Stelle den Hebel an: Es rüstet die herkömmliche Lichtanlage in energiesparende LED-Beleuchtungstechnik und intelligente Steuerung um und verspricht den Kunden, so bis zu 80 Prozent einzusparen. Das Licht leuchtet im Betrieb automatisch nur dort, wo sich Menschen aufhalten. Außerdem bietet ,Cleen Energy‘ neben Konzepten für das Stromsparen auch Lösungen für Gas- und Wassereinsparungen. Damit setzt das Unternehmen laut Michael Altrichter, der sich unter den Investoren findet, „auf das richtige Pferd“. Lob gibt es auch von politischer Seite: „Sie machen genau das, was die EU-Kommission uns Mitgestaltenden erklärt und sind für mich die ersten, die das als Erfolgsgeschichte präsentieren“, sagt Heidelinde Adensam, die die Abteilung Energiebilanz und Energieeffizienz im zuständigen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, leitet.

Im Gegensatz zu großen Unternehmen wie ,Zumtobel‘ oder ,Siemens‘ bietet ,Cleen Energy‘ auch technische Planung und Finanzierung an. Die Kunden lockt das Angebot der Vorfinanzierung. Wie auch bei den Partnern fokussieren sich Scherzenlehner und sein Team nicht nur auf Großunternehmen, sondern auch auf KMU als Kunden. Und damit zählt ,Cleen Energy‘, das 2014 gegründet wurde, schon zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen im Bereich nachhaltiger Energieeffizienzmaßnahmen im deutschsprachigen Raum. Im ersten Halbjahr 2016 machte das Unternehmen 3,5 Millionen Euro Umsatz. Im Jahr 2015, laut Jahresabschluss sogar einen Gewinn von 265.000 Euro.
Am 20. April 2017 feierten Lukas Scherzenlehner und sein Partner Erwin Stricker ihren ersten Handelstag an der Börse. „Wir wollten damit vor allem die Wahrnehmung bei Kunden und Partner erhöhen“, sagen sie. Dass das bislang gelungen ist, zeigt sich schon in den ersten Tagen. „Es kommen tolle Kundenanfragen von namhaften Unternehmen herein und das mediale Echo ist gut.“ Eine Woche später gibt es schon größere Veränderungen intern, nämlich einen Vorstandswechsel. Dass ,Cleen Energy‘ Robert Kögl holt, zeigt Expansionsambitionen. Schließlich war Kögl Finance Director der CISCO System International und CFO bei Microsoft in Österreich.

Optimismus in der Energiewende
Zwar ist ,Cleen Energy“ eines von den vielen Startups im Energiesektor, doch Scherzenlehner meint, nur wenige hätten bisher schon eine für den Markt relevante Größe erreicht. „Gerade in dieser Branche müssen die Gründer auf den großen Markt drängen.“ Und dieser sei in zwei Parallelwelten geteilt: In den Köpfen von vielen Alteingesessen seien die meisten innovativen Kleinen noch nicht angekommen. „Startup und die traditionelle Energiewirtschaft sind noch nicht 100 Prozent matched.“
Dass sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Sphären lohnt, zeigt sich auch an ihrem Beispiel: ,Cleen Energy‘ kooperiert mit Philips und ist Energieeffizenzpartner der OMV. Und doch ist die Kooperation mit den big playern nicht der einzige Weg, sondern Teil einer guten Mischung, denn ,Cleen Energy‘ nutzt auch Produkte von jungen kleinen Unternehmen, zum Beispiel von ,LineMetrics‘, aus Haag in Niederösterreich, von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Staatssekretär Harald Mahrer unlängst als ,Born Global Champion‘ ausgezeichnet. Bei ,LineMetrics‘ selbst geht es nicht um Aus-, aber um Aufzeichnungen, nämlich von Anlagenkennzahlen, Energieverbrauch, Qualitätsdaten. Sie schaffen Fakten für Optimierungsmaßnahmen – ein logischer Schritt also, dass sie mit ,Cleen Energy‘ zusammenarbeiten. Der Boom bei Startups in der Energiewirtschaft stimmt optimistisch, was die weitere Entwicklung betrifft. Nicht zuletzt sorgen sie für Optimismus in der Energiewende.

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