Biodiversität. Eine grenzüberschreitende Studie untersucht Bodenbearbeitung und Landschaftselemente: Wie wirkt sich Weingartenbewirtschaftung auf Wildbienen aus? Immerhin gibt es davon 700 Arten in Österreich.
,Hallo, da bin ich! Ich bin eine Blüte‘, das sage der Weinstock mit seiner Blütenform nicht wirklich, erzählt Sophie Kratschmer amüsiert. Als überwiegender Selbst- und teilweise Windbestäuber braucht er die Insekten nicht. „So eine Weinblüte ist recht unattraktiv für die Wildbienen – fad, nicht bunt, ohne Nektar“, erklärt die Wissenschaftlerin vom Institut für Integrative Naturforschung an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien.
Das Forschungsprojekt VineDivers untersucht mit vier anderen EU-Ländern, wie sich unterschiedliche Umbruchshäufigkeiten in den Fahrgassen des Weingartens auf Wildbienen auswirken. Es ist ein BiodivERsA Projekt und wird in Österreich über den FWF finanziert. „Umbrechen klingt immer so schlimm“, sagt Kratschmer, es seien lediglich zehn bis zwanzig Zentimeter, nichts wofür der Bauer einen tiefen Pflug braucht. Aber weil Gras und andere Pflanzen für den Weinstock eine Wasser- und Nährstoffkonkurrenz darstellen können, ist es eine gängige Bewirtschaftungsmethode. Sophie Kratschmer forschte auf Flächen, die entweder dauerbegrünt, zur Gänze offen gehalten oder alternierend umgebrochen wurden, wo also jede zweite Fahrgasse begrünt war. Für dieses sogenannte Vegetationsmanagement gilt: je weniger, desto besser.
Wildbienen-Hotspots
Bei der Studie überrascht haben vor allem die Begebenheiten auf den andalusischen Flächen. Mediterrane Gebiete wie diese sind eigentlich Wildbienen-Hotspots. In heißen Gegenden Spaniens halten die Winzer allerdings oft das ganze Jahr über den Boden offen. Diese intensive Bewirtschaftung hat einen nachweislichen Effekt auf das Leben rund herum. Das Summen und Surren und Blühen, das sich gegenseitig braucht, verschwindet nach und nach. Gefunden wurden in den andalusischen Weingärten nur 20 Arten was einer gesamten Anzahl von über 1.000 in Spanien vorkommenden Arten gegenübersteht.
Hierzulande wächst im Winter nicht nur sprichwörtlich Gras über die Sache. Nimmt ein Betrieb an der ÖPUL-Maßnahme „Erosionsschutz Wein“ teil, darf er, abhängig von der Hangneigung, nicht oder erst ab Ende April den Boden umbrechen. Mindestens genauso wichtig ist für die Insekten, was rund um die Weingärten passiert. Strukturreiche Landschaften wirken sich positiv auf die Wildbienen im Weingarten aus. Am meisten ausschlaggebend ist das Blütenangebot – je mehr Pflanzen und Blüten über das Jahr verteilt Pollen und Nektar anbieten, desto besser. Der eine oder andere Blüh- oder Brachstreifen macht schon einen großen Unterschied aus Bienensicht.
In Mitteleuropa bauen die Hälfte der Wildbienen ihre Nester in Löcher im Boden. Besonders beliebt seien offene Bodenstellen. Die Forscherin erinnert sich an Nester in Göttlesbrunn, in Carnuntum, rund um Purbach und Breitenbrunn. In jedem der 16 untersuchten Weingärten pro Land legten die Forscher ein Transekt fest. Dann beobachteten sie für eine Viertelstunde, was kreucht und fleucht. Honigbienen und Hummeln lassen sich gleich im Feld bestimmen. Bei Wildbienen ist das selten möglich, denn in Österreich kommen ungefähr 700 Arten vor. Die Forscherin fängt sie mit dem Insektennetz, nadelt sie klassisch in einen Insektenkasten und sieht sie unter dem Mikroskop an. Sie untersucht beispielsweise das erste Segment des Hinterleibes: Wie stark ist die Punktierung des Chitinpanzers (Cuticula)? Wie groß sind die Punkte und in welchem Abstand zueinander?
Erstfund in Österreich: Runzelbrust-Schmalbiene
Im Laufe des Projektes fand man eine neue Bienenart: die Runzelbrust-Schmalbiene (Lasioglossum laterale) erstmals für Österreich – bisher nur aus mediterranen Gebieten bekannt und selbst dort spärlich. In Spanien gab es den europaweiten Erstfund von Andrena varia. Und auch die Ungarische Hummel (Bombus haematurus) ist recht speziell, weil sie mit ihren kleinen Völkern selten vorkommt, jedoch im Osten Österreichs in Ausbreitung begriffen ist. Die zwei Spiralhornbienenarten konnten in den österreichischen Weingärten häufig nachgewiesen werden. Sie werden immer seltener, die Weibchen sammeln nämlich ausschließlich Pollen der Ackerwinde – einer Pflanze, die bei den Landwirten als Unkraut gilt, ist sie doch Anzeiger für die Winden-Glasflügelzikade, welche die Schwarzholzkrankheit auf den Weinstock überträgt.
Wildbienen sind wichtig im Sinne der Biodiversität und des Artenschutzes sowohl für die Bestäubung von Wildpflanzen als auch für Kulturpflanzen. Momentan schwirrt zum Beispiel die Mauerbiene – die rostrote und die gehörnte – für die Obstbaumbestäubung.
Zur Entwicklung einzelner Wildbienenarten in Österreich gibt es keine Aufnahmen über einen längeren Zeitraum und kein eigenes Monitoring. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft verschwinden ungepflegte, wilde Landschaftselemente wie blütenreiche Raine, Böschungen und Hecken, welche wichtige Habitate unterschiedlicher Wildbienenarten darstellen. Der gehäufte Einsatz von Spritzmitteln wirkt sich ebenfalls negativ aus.
700 Wildbienenarten gibt es in Österreich, etwas mehr als die Hälfte gräbt Nester in den Boden.
Ein Viertel nistet oberirdisch – meist in vorgefundenen Hohlräumen und ein geringerer Anteil nagt selbst Gänge in markhaltige Pflanzenstängel oder Totholz.
25 Prozent sind Kuckucksbienen, bei denen das Weibchen ihre Eier in das Nest einer Wirtsart einschmuggelt.
(erschienen in der Tageszeitung „Die Presse“ am 5.4.2019)
Foto: Sophie Kratschmer