Zwischen Stall und Schreibtisch

Vor 18 Jahren hat Andrea Ladinig an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien zu studieren begonnen. Seit 1. August leitet sie nun die Universitätsklinik für Schweine.

Die Gießkanne am Fensterbrett hat einen Rüssel, der Magnet auf der Pinnwand ist ein Stoffschweinchen, ja sogar der Salzstreuer in der Betriebsküche ist ein Ferkel. Das Schwein ist allgegenwärtig. Auf den Alltagsgegenständen ebenso wie auf den Plakaten, Schautafeln und zwei Stockwerke tiefer im Stall. Der Fußabstreifer – natürlich in Schweinchenform – liegt vor dem Chefbüro. Andrea Ladinig hat es gerade neu bezogen. Sie leitet seit Beginn des Monats die Universitätsklinik für Schweine.

Die neue Professorin ist am Stadtrand von Villach aufgewachsen. Nutztiere gab es dort keine, die Familie Ladinig hatte nur Hunde. Trotzdem wollte die Kärntnerin schon im Volksschulalter Tierärztin werden.

Auf das Schwein gekommen

Seit 1999 ist sie an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. Nach den Kleintierpraktika schwenkte sie im Studium rasch auf den Nutztiersektor um. Beim Schwein sei sie eigentlich zufällig gelandet. „Das Schwein ist ein gutes Modell für die Humanmedizin“, meint die Forscherin. „Als Allesfresser und vom anatomischen Aufbau sind sie uns ähnlich.“

Ladinig ist ehrgeizig und stellt schon früh im Studium fest: Sie will eine Doktorarbeit schreiben und die akademische Karriere anstreben. In der Schweineindustrie stehe genug Geld dahinter, schließlich forscht man viel für Impfstoffe. Darauf liegt das Hauptaugenmerk in der Uniklinik. „Grundsätzlich geht es bei uns um alle Infektionskrankheiten“, sagt Ladinig, aber das PRRS-Virus sei wirtschaftlich besonders bedeutend. Es verursacht in den USA jährlich mehr als sechshundert Millionen Dollar Verluste und Schäden, führt es doch zu Fruchtbarkeitsstörungen bei den Sauen und Atemwegserkrankungen beim Ferkel.

„Das Schwein steht zwischen Geflügel und Wiederkäuer, was den monetären Wert angeht, den das Tier besitzt bzw. in einer gewissen Zeitspanne bringt“, erklärt die Professorin. Die Mastdauer dauert bei Hühnern zum Beispiel nur rund vier Wochen, und je kürzer das Tier lebt, desto weniger ist es wert. Wobei: Nach circa einem halben Jahr sei dann bei der Mastschweinrasse jener Wert erreicht, bei dem das Mästen nicht mehr sinnvoll ist. Dann baut das Schwein weniger Muskelmasse und stattdessen mehr Fett auf. Und so dauert das durchschnittliche Mastschweinleben in Österreich ein halbes Jahr, die Zuchtsauen sollten fünf bis sechs Würfe überleben. Sie werden also rund drei Jahre alt. Genau so lange ging Ladinig nach Kanada und wurde dort zur Spezialistin für Krankheiten wie die, die das PRRS-Virus auslöst.

Die Schweineklinik versteht sich als Bindeglied zwischen Forschung, Bauern und Tierärzten. „Circa einmal pro Woche fahren wir hinaus auf die Bestände, Probeneinsendungen kriegen wir täglich“, erzählt Ladinig. Im Herbst gebe es aufgrund der Temperaturschwankungen mehr klinische Probleme als jetzt im Sommer. „Wir versuchen das mit der Lehre zu kombinieren und nehmen immer Studierende mit“, sagt sie. Aus den Problembeständen wählt das Team einige charakteristische Tiere aus, untersucht sie klinisch, nimmt Proben und schläfert sie dann ein. Das ist gesetzlich so vorgesehen. Sie betont das höherer Ziel hinter ihrer Arbeit: „Bei uns geht es immer um ganze Bestände, nicht nur um ein einziges Tier.“

„Wir betreuen auch Minischweine, die manche als Haustiere halten“, sagt Ladinig. Das sei eine Nische, die weder den Kleintierpraktiker noch den Tierarzt für Nutztiere betrifft. Die Besitzer sind meistens Leute, die mit Landwirtschaft nichts zu tun haben. „Eigentlich müssten sie ihre Hobbyschweine melden. Das ist wichtig im Seuchenfall wie der afrikanischen Schweinepest – eine Riesenbedrohung für unsere Schweineproduktion.“ Im Juni hat man gesehen, wie weit das Virus schon in den Westen gekommen ist. Ungefähr 80 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, wurde es bei einem tschechischen Wildschwein entdeckt. Seit wenigen Tagen ist der erste Fall in Rumänien bekannt.

Die gebürtige Kärntnerin hat übrigens während des Studiums einst im Sommerkurs an der Uni den Jagdschein gemacht, ein Wildschwein hat sie allerdings noch nie geschossen.

ZUR PERSON

Andrea Ladinig wurde 1980 in Villach geboren. Seit 1999 ist sie an der Vet-Med Uni Wien – zuerst als Studentin, dann als Forscherin. Seit Kurzem leitet sie die Universitätsklinik für Schweine. Bei ihrem dreijährigen Forschungsaufenthalt in Kanada hat Ladinig speziell das PRRS-Virus erforscht. Es verursacht aktuell hohe Ausfälle in der Schweinezucht und gilt als eine der bedeutendsten Viruskrankheiten des Schweines weltweit.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

(erschienen in: „Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.08.2017)

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