Neue Ideen für Krebsdiagnose

Wiener Forscher beschäftigen sich weltweit als erster mit dualen Biomarkern bei der Krebsdiagnose.

Jeder Tumor ist anders. Er entwickelt die besten Strategien, um in einem bestimmten Menschen zu überleben“, erklärt Markus Mitterhauser, Leiter des Ludwig Boltzmann Institut (LBI) Applied Diagnostics, den Begriff Tumorheterogenität. Genau dieser Eigenschaft will er in seinem Haus gegensteuern. Und zwar mit der personalisierten, individuellen Diagnose. Sie wird in der Krebsforschung immer wichtiger.
„Wir sind weltweit die Ersten, die speziell zum Thema duale Biomarker forschen“, sagt Institutsleiter Mitterhauser. Er erhofft sich ein besseres Verständnis der Tumore und eine genauere Diagnostik, speziell bei Prostatakrebs und Dickdarmkrebs – beides laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders häufige Krebserkrankungen.
Für die doppelten Biomarker kombinieren die Forscher die Marker molekularbiologischer Methoden, Genetik und aufwendiger Bildgebung mittels Nuklearmedizin und Radiopharmaka.
Blutprobe statt Gewebeprobe
Die sogenannte „Liquid Biopsy“, also „Flüssige Biopsie“ soll bösartige genetische und biochemische Veränderungen in Tumoren anhand von Tumor-DNA oder zirkulierenden Tumorzellen im Blut erkennen. Sie erlauben Rückschlüsse auf die Art und Aggressivität des Tumors.
Und so bleiben den Patientinnen und Patienten die oft schmerzhaften Gewebebiopsien erspart. Für die Analyse im Labor braucht es dann nämlich nur eine Blutprobe.
Von der Laborbank geht es dann direkt ans Krankenbett – „from bench to bedside“ wie es im Fachjargon heißt. Und dafür gibt es in diesem Ludwig Boltzmann Institut eine eigene Abteilung. Sie übersetzt die Ergebnisse und Erkenntnisse von Studien in den klinischen Alltag.
Der zweite Schritt der dualen Biomarker ist die molekulare Bildgebung mittels nuklearmedizinischer Methoden. Dabei stellen Radiopharmaka, also radioaktive Arzneimittel, etwa radioaktiver Zucker, die molekularen Veränderungen in bösartigem Gewebe dar.
Sie verteilen sich zuerst im ganzen Körper, bleiben aber am Ende genau am Tumor und an den Metastasen haften. In diesem Zustand kommt die Patientin oder der Patient in einen Scanner. Die molekulare Bildgebung spürt das Radiopharmakon auf und hilft dem Forscherteam den Tumor genau anzusehen und zu charakterisieren.
Maßgeschneidert für jeden
Ziel ist immer eine auf den persönlichen Krebstypen maßgeschneiderte Behandlung. „Wir wollen in einem möglichst frühen Stadium der Erkrankung, den Tumor charakterisieren, seine Aggressivität beurteilen und erkennen, ob er Metastasen gebildet hat“, sagt Mitterhauser. Er ist überzeugt: Je besser man einen Tumor versteht, desto gezielter kann die Therapie gesteuert werden.
Übertherapie verhindern
Außerdem ließe sich so Übertherapie – also medizinische Maßnahmen, die keine für den Patienten sinnvollen und nützlichen Behandlungsziele erreichen – vielleicht besser vermeiden. Statt der Schrotschuss-Taktik, die breit gefächert wirkt, sollen Chemo- oder Strahlentherapie zielorientiert eingesetzt werden.
Das große Thema der personalisierten Medizin wirft aber auch viele Fragen auf: Was bedeutet eine solche genauere Krebsdiagnose für unsere Gesellschaft? Wie viel Information und in welcher Form nutzt sie den Patienten am besten? Könnte die Entwicklung zu weniger Solidarität und stärkeren Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung führen?
Wirtschaft und Ethik
Mit diesen ökonomischen und ethischen Überlegungen befasst sich die Medizinethikerin Alena Buyx, gemeinsam mit der Gesundheitsökonomin Judith Simon. Die von der Ökonomin erarbeiteten Berechnungen zur wirtschaftlichen Komponente für das Gesundheitssystem interpretiert Buyx mit Bezug auf Gesellschaftsfragen.

Bild: (c) LBI Applied Diagnostics

(erschienen in der Presse/Wissen und Innovation vom 29. Juli 2017)

Ein Gedanke zu “Neue Ideen für Krebsdiagnose

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