Durch die Änderungen in der Gewerbeordnung wurde der Beruf des Hufschmieds zum Vollgewerbe und bekam verstärkt Aufmerksamkeit. Kurt Fabsics war selbst Quereinsteiger, wünscht sich aber möglichst viele Lehrlinge.
Cartier muss eine Runde auf dem Vorplatz traben. Ihr Gang wird aufmerksam beobachtet. Sie ist eine Schimmelstute und ein fleißiges Dressurpferd im besten Alter. „Man merkt sofort, wenn ein Pferd befreit geht“, kommentiert Kurt Fabsics. Er muss es wissen. Schließlich steht Cartier im Reitstall seiner Frau, wo er als Hufschmied arbeitet. „Der Huf und das Gangbild zeigen uns, wenn der Körper nicht in der Balance ist“ – zum Beispiel durch den Sattel, Verspannungen oder gar Verletzung einer Sehne oder eines Gelenks.
Der Huf hat eine elastische Hornkapsel, die sich bei Fehlbelastung zu verformen beginnt. Selbst wenn der Stoffwechsel nicht in Ordnung ist, lässt sich dies an der Struktur des Hufes erkennen. Ein guter Hufschmied sieht all das und gibt seinem Kunden Feedback, damit dieser einen Arzt konsultieren kann.
Eisen auf Eisen, Hufklappern, Schnauben. Im Stall entfernt Kurt Fabsics zuerst das alte Hufeisen. Dazu muss er die Nägel aufnieten. Dann reinigt er die Hufzwischenräume und bearbeitet den Huf mit einem Hufmesser, einer riesigen Feile und einer Hufnagelzwickzange. „Im Prinzip ist es nichts anderes als Fingernägelschneiden“, erklärt er, „mit Berücksichtigung der Orthopädie.“
Schuhe nach Maß. „Ein Pferd bekommt sozusagen immer Schuhe nach Maß, weil jeder Huf eine andere Form hat.“ Das passende Hufeisen erhitzt der Schmied in einem kleinen Gasofen. Eineinhalb Minuten später glüht das Eisen mit 900 Grad Celsius orangefarben. Jetzt muss alles schnell gehen. Mit der Feuerzange holt Fabsics das glühende Eisen aus dem Ofen und bringt es am Amboss mit einem schweren Schmiedehammer in die exakte Form. Zur Kontrolle der Passform wird das Hufeisen warm aufgerichtet. Dann qualmt und stinkt es nach verbranntem Horn.
Bevor Fabsics das Eisen zurechtschleift, bohrt er vier Löcher hinein. Der heutige Termin ist wie Winterreifenwechseln beim Auto. Cartier wird nämlich winterfest beschlagen. Das heißt, sie bekommt in ihre neuen Hufeisen einen pinken Gummieinsatz als Schneegrip eingepasst. Das soll Schneeeinlagerungen verhindern und ist gleichzeitig stoßdämpfend.
Mit sechs Nägeln macht der Schmied das Hufeisen fest. Darunter schlägt er eine kleine Grube in den Huf. Er kürzt die Nägel ein und legt sie mit der Krokodilzange in die Einbuchtung. Zum Schluss pinselt er die Hufe mit Pflegeöl ein und kontrolliert erneut den Gang. Pro Huf dauert diese Prozedur in etwa 20 Minuten.
Kurt Fabsics war eigentlich jahrelang Produktionsleiter bei der Ottakringer Brauerei. Nach einer Neuorientierung führte sein Weg in die Selbstständigkeit. Seit 2011 unterstützt er seine Frau, Sabine Steinbach, in ihrem Reitstall in Wien-Donaustadt.
„Meine Frau war schon immer eine Pferdefanatikerin. 1998 hat sie eine Reitschule gegründet. Ein Jahr später habe ich in der Brauerei aufgehört und beschlossen: Ich werde Hufschmied.“ Bei der alten Generation von Hufschmieden wurde es mit der Termintreue und Qualität nicht so ernst genommen. „Da habe ich gesagt: ,Das kann man verbessern!‘“
Nach langem Suchen habe er einen vernünftigen Meister gefunden, bei dem er als Volontär innerhalb eines Jahres den Beruf erlernen konnte. Theoretisch hätte er mit seinem Metallberuf sofort zur Gewerbeprüfung gehen können. Bis vor Kurzem war der Huf- und Klauenbeschlag, wie es korrekt heißt, nämlich ein Teilgewerbe der Metallsparte. „Da konnte selbst der Autospengler die Vorprüfung zur Beschlagsschule machen und bei positivem Abschluss am Pferd arbeiten.“ Diese Parallelschiene ist auch mit der Gewerbeordnungsreform nicht ganz abgeschafft. Noch immer könne man aus der Metallbranche bei der Innung ansuchen und diesen Weg beschreiten.
„Ungefähr zur Jahrtausendwende wollte man das Teilgewerbe völlig aufgeben, sodass jeder am Pferd arbeiten darf“, schildert Fabsics. Pferdebesitzer und Tierschützer schlugen Alarm. Der Österreichische Hufschmiedeverband wurde gegründet, bei dem Kurt Fabsics im Vorstand tätig ist. „Wir haben dafür gekämpft, dass das Teilgewerbe erhalten bleibt, und deponiert, dass es ein Ausbildungsproblem in Österreich gibt.“ Der Verband führte ein Qualitätssiegel ein und veranstaltete Weiterbildungskurse. „Ureigenstes Ziel aber war es, einen Lehrberuf zu haben.“ Dieser wurde vor ein paar Jahren versuchsweise eingeführt und positiv evaluiert. Jetzt entstand das 81. Vollgewerbe in Österreich daraus. Derzeit wird nur eine Beschlagschule besetzt – im oberösterreichischen Stadl-Paura. Dort können jährlich zwölf Teilnehmer ausgebildet werden. Österreichweit schätzt Fabsics die Zahl der Hufschmiede auf rund 260 bis 270. In Ostösterreich ist mit 70 Hufschmieden die Dichte besonders hoch.
Es geht um Leib und Leben. Den Gewerbeschein begrüßt er, sofern dieser an eine ordentliche Ausbildung, also drei Jahre Lehre, gekoppelt ist. Ihm geht es um das gesundheitliche Risiko des Pferdes. „Wenn der Tischler ein Tischbein zu kurz macht, wackelt der Tisch. Ein Pferd lahmt, wenn man etwas verpfuscht. Im Gegensatz zu anderen reglementierten Gewerben geht es hier tatsächlich um Leib und Leben.“
Warum beschlägt man überhaupt? Ungefähr alle sieben Wochen beschlägt Fabsics seine Pferde. Oder er korrigiert sie nur, denn manche Pferde haben gar keine Hufeisen. Ziel ist in jedem Fall, dass das Pferd gut und gerade auf dem Boden steht. Seit der Mensch das Pferd als Nutztier hält, fertigt er einen Hufschutz an. Denn die Abnützung ist größer als das Hufwachstum. „Wenn ich mit dem Pferd über Stock und Stein reite, reibt sich das Horn ab“, erklärt Fabsics. Das alte Handwerk wurzelt in der Antike: Die Römer haben Hyposandalen aus Korb geflochten; genagelte Hufeisen haben vermutlich erstmals die Kelten verwendet.
Die Preise variieren zwischen circa 50 Euro, wenn ein Pferd keine Hufeisen, sondern nur eine Korrektur bekommt, und in etwa 150 bis 170 Euro für den Vollbeschlag – je nach Qualität, Material oder Anfahrtszeit. „Wir sind schließlich ein fahrendes Gewerbe“, sagt der Hufschmied. Bei einem Teilbeschlag werden nur die Vorderhufe beschlagen, weil Pferde auf den Vorderbeinen 60 Prozent ihrer Last tragen müssen und sich diese Hufe schneller abnutzen. „Sportpferde brauchen immer eine konstante Stellung, man möchte kurze Hufe, damit die Sehnen weniger belastet werden.“ Im Reitstall von Kurt Fabsics und Sabine Steinbach ist ein Drittel der Pferde ohne Hufeisen, ein Drittel ist nur vorn beschlagen, und ein Drittel hat einen Vollbeschlag. So auch Cartier, für die es als Dressurpferd in sechs Wochen wieder so weit ist.
Gewerbeordnung
Jemand, der Beton bohrt, Alarmanlagen in Autos einbaut, Lebkuchen herstellt oder Handfeuerlöscher überprüft, übt seit der Novellierung der Gewerbeordnung kein Teilgewerbe mehr aus. Für ihre Ausübung ist zwar eine Berechtigung, aber kein Befähigungsnachweis mehr notwendig. Nur zwei der bisher 21 Teilgewerbe betrifft das nicht: Erdbau wandert zu den Baumeistern, und der Huf- und Klauenbeschlag wird ein eigenes reglementiertes Gewerbe. Staatlich geprüfter Hufschmied kann man in den beiden Hufbeschlagsschulen Stadl-Paura (OÖ) oder an der Veterinärmedizinischen Uni-Wien werden.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 11.12.2016)