Ob es ein Kind in diese Welt setzen soll, fragt sich ein junges Paar im Stück „Atmen“ von Duncan Macmillan.
Rund um die Bühne sind Schnüre gespannt und bilden ein Dreieck. Zackig schreitet ein Paar Anfang 30 von einer Ecke in die andere und debattiert. Was zunächst klingt wie eine Vertragsverhandlung, erweist sich als ein Streitgespräch, geführt auf einem Ikea-Parkplatz: Sollen sie ein Kind in die Welt setzen? In diese Welt, die wahrscheinlich ohnehin nicht mehr zu retten ist? Auf der zu viele Menschen leben, die den Müll nicht trennen, die nicht demonstrieren gehen oder Benefizmarathons laufen, die beim Zähneputzen gar das Wasser laufen lassen? Diese Leute – wagen die Protagonisten in diesem Stück des britischen Autors Duncan Macmillan einmal laut zu denken – sollten besser einfach keine Kinder bekommen!
Dass sie selbst außergewöhnlich gute Menschen sind, davon sind die beiden überzeugt, immerhin dreht er ja sogar umweltbewusst den Hahn zu, als sie das Wasser laufen lässt, um sich durch das Rauschen zum Pinkeln auf den Schwangerschaftstest animieren zu lassen.
Aber wären sie auch gute Eltern? Reicht ein kleiner ökologischer Fußabdruck schon aus, um Verantwortung für ein kleines Wesen zu übernehmen? Diese Fragestellung füllt weite Strecken der 75-minütigen Spielzeit. Doch nicht nur die Kleidung der Darsteller, auch das Denken der Figuren bleibt schwarz-weiß. Die Frau (Paola Aguilera) versteckt ihre Wankelmütigkeit und Unsicherheit hinter Sarkasmus. Sie braucht Zeit, um sich über ihre Gefühle klar zu werden.
Von einem minimalen Bühnenbild (Alexandra Burgstaller) zu sprechen wäre noch übertrieben: Es gibt weder Ton- noch Lichteffekte, auch keine Requisiten. Das erfordert pantomimische Topleistung und Tempowechsel, die Regisseurin Christine Wipplinger gekonnt einsetzt. „Auf das Atmen nicht vergessen“, weist der männliche Part (Astrit Alihajdaraj) seine Partnerin hin, als ihr Redefluss nicht mehr zu bremsen ist. Erst später – bei der Geburt – stellt sich heraus, worauf sich der Titel noch bezieht.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.01.2016)